Der Stuttgarter Deutschtürke Özcan Cosar in der ARCHE
Wir befinden uns mitten in der EM. Ganz Deutschland ist vom Fußballfieber gepackt. Ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Kabarettliebhabern besetzte ARCHE in Dischingen hört nicht auf, dem Spiel Deutschland gegen die Slowakei Widerstand zu leisten.
Bevor jedoch der Stuttgarter Özcan Cosar zeitgleich mit dem EM-Spiel um 18 Uhr mit seiner Stand-u-Comedy startete, gab er vorab ein spontanes Gastspiel im ARCHE-Hinterhof vor Gästen, die extra wegen ihm aus Stuttgart und Aalen angereist waren. Und dann fegte über zwei Stunden das vielfach mit Preisen ausgezeichnete, türkischstämmige Multitalent im ausverkauften Haus wie ein Wirbelwind über die kleine Bühne. Der Träger des Prix Pantheon und des Baden-Württembergischen Kleinkunstpreises, den viele bereits von der Lotto-Benefizgala 2015 im Naturtheater und von zahlreichen Fernsehauftritten her kannten, bot alles, was man sich bei diesem Genre wünscht: Körpereinsatz, Gitarrenspiel mit persifliertem Gesang auf Altbekanntes und Überraschendes („der könnte auch damit berühmt werden“) und eine schwäbisch-türkische Pointendichte von unglaublichem Umfang. Wenn sich zudem ein Künstler über die regionalen Eigenheiten des Auftrittsortes informiert und diese gekonnt für die ersten Pointen nutzt, zeugt das vom Respekt gegenüber den Gastgebern. Auf diese Weise bekamen Inge Grein-Feil und ihr Team somit zu Beginn ihr wohltuend-anerkennendes „Fett“ ab.
Zugleich demonstrierte er jene Gewissenhaftigkeit, die gemeinhin den Deutschen unterstellt wird. Und Deutscher ist er schließlich auch, der Özcan Cosar, wenn auch – wie man später lernte – nach ausgiebig praktiziertem „Türkzorzismus“.
Sein Publikum jedenfalls hatte er fest im Griff und zollte ihm seinen Themenparcour rund um die „Deutschwerdung“, sowie die schwäbischen, türkischen, aber auch rein menschlichen Befindlichkeiten mit herzhaftem Lachen. Er scheute dabei auch keine Stellungnahmen zu religiösen und politischen Themen. Sarrazin und Gangster-Rapper zerlegte er ebenso wie die mediale Reizüberflutung, den Esoterikkult und das Balz- und Tanzverhalten in deutschen Discos. Letztere illustrierte er mit einem Spagat. Nur einmal wurde er sehr ernst und da ermahnte er zur Humanität und Hilfsbereitschaft gegenüber den Menschen, die vor Krieg und (teils von der westlichen Welt hausgemachten) Katastrophen bei uns Hilfe suchen.
Die starke psychische Präsenz und die außerordentliche Musikalität des Stuttgarters veredelten einen ohnehin überzeugenden Comedy-Abend.