Besinnlichkieten aufs Korn genommen: „Mehlprimeln“ begeistern in der ARCHE
Friede auf Erden und den Menschen ein – ja, was eigentlich? Wohlgefallen, wenn es nach den seinerzeitigen Engeln geht. Geschenkesegen, wenn es nach dem heutigen Einzelhandel geht. Aber wenn es nach den „Mehlprimeln“ geht, dann dürfte vor allem eines gemeint sein: Unbehagen.
Das jedenfalls haben die Brüder Reiner und Dietmar Panitz in Langzeitstudien beobachtet, und an ihren Beobachtungen ließen sie das Publikum am Sonntagabend in der Arche Dischingen so gekonnt teilhaben, dass sich die Zuhörer jenseits allen Weihnachtsstresses bestens amüsierten.
Es war aber auch zu komisch, welches Idyll die beiden Brüder in Vers und Reim, Gesang und Geplauder zu malen verstanden. Da entstanden beim Zuhörer schönste Bilder von Erbrochenem auf Weihnachtsmärkten, von Christbaumkugeln, die sich im Wald erhängen, vom Leben nach dem Fest eines Weihnachtsbaumes, der nach ultimativen Lobhudeleien nur von Hunden bemerkt wird, um sogleich angepinkelt zu werden.
Und welche Harmonie herrscht in Familien am Fest der Liebe! Mutter kotzt noch vor der Tagesschau, die Kinder maulen über Geschenke und planen, das Weihnachtsbier mit Dünnpfifföl anzureichern, Vati bringt Omi ins Heim zurück und würde Mutti zu gerne verlassen, wüsste er nur, wie Kofferpacken geht. Im Seniorenheim ist’s nicht viel besser: Nach tagelangem Andrang von Grundschulflötengruppen, Jagdhornbläsern und den Trampeln vom Trachtenverein, die auch die Insassen mit Kriegserfahrungen nicht abwehren konnten, wünschen sie sich nichts sehnlicher, als endlich in Ruhe gelassen zu werden – ein Wunsch, dem zumindest das Pflegepersonal nachkommt.
Schneiderin Luise hat da ganz andere Probleme: Wie schafft sie es, nachts allein mit einem Donkosaken, die ja alle Jahre wieder in schönster Regelmäßigkeit auf die regionalen Bühnen kehren, durch die Straßen zu schlendern, ohne dass es der Pfarrer bemerkt?
Der weihnachtliche Rundumschlag der „Mehlprimeln“ streift durchaus auch die Tierwelt: Hafermastgans Ute beispielsweise träumt in der Tiefkühltruhe von einem besseren Leben – selbst schuld, wenn sie dann in Umluft endet. Keiler Horst balzt um Vanessa, ein Bild von einer Sau, und ist letztlich doch nicht wild genug für einen Angriff. Am besten hat es da noch Fruchtfliege Frieda, der als Überbleibsel aus dem Sommer gar eine eigene Bescherung zuteil wird.
Die Brüder Panitz haben jedoch, schließlich ist ihnen als bayerischen Schwaben eine gehörige Portion Pragmatismus und Bodenständigkeit zu eigen, auch die Lösung parat – und zwar nicht nur die Lösung für ein friedliches Fest, sondern ein friedliches Miteinander überhaupt. Die Verkürzung der Paarungszeit entledigte die Menschheit aller Zickigkeit und Gockeligkeit, allem Gebalze und geschmolle, jeder wüsste, nach vier Wochen ist’s rum – und dann könnte es endlich wahr werden, was die Engel seinerzeit verkündeten: den Menschen ein Wohlgefallen.
Mehr als Wohlgefallen hatten die Zuhörer in der Arche schon mal an diesem Abend, mit dem sie den Advent mit vielen herzlichen Lachern beginnen konnten. Und wenn die beiden Kabarettisten dann auch noch zu Harfe und Hackbrett, Klarinette und Gitarre griffen, ja, dann wurde es sogar so, wie man Weihnachten ja auch noch in Erinnerung hat: richtig heimelig und besinnlich, friedlich und kuschelig. Und das ganz ohne Witz. Aber einfach nur schön.
Ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk war dieser Abend allein schon deshalb, weil die „Mehlprimeln“ überhaupt da waren. Ursprünglich hatten sie sich nämlich nach Frauenriedhausen aufgemacht. Gut, das kann man mit Dischingen ja auch mal verwechseln, hört sich ja wirklich ähnlich an.
Marita Kasischke/Heidenheimer Zeitung