Bankmanager in Sippenhaft


Bericht von Holger Scheerer, Heidenheimer Zeitung, 8.11.2011 vom 08.11.2011 08:00 Uhr


Das „Erste Deutsche Zwangsensemble“ begeisterte in Dischingen


Gemeinsam das „Erste Deutsche Zwangsensemble“: Mathias Tretter, Philipp Weber, Claus von Wagner in der Egauhalle in Dischingen.
Gemeinsam das „Erste Deutsche Zwangsensemble“: Mathias Tretter, Philipp Weber, Claus von Wagner in der Egauhalle in Dischingen.


Remmidemmi auf der Bühne gab es mit dem „Ersten Deutschen Zwangsensemble“ am Sonntag­abend in Dischingen zu erleben. Zu tun bekam man es mit einem Erfolgsrezept der besonderen Güte: Man nehme drei junge, mit Energieüberschüssen versehene Kabarettisten und schicke sie auf die Bühne. Sie gehen ihren Weg, heimsen einen Kleinkunstpreis nach dem anderen ein. Es ist alles in Butter. Aber was passiert, wenn sich die drei unterschiedlichen Temperamente zu einem feurigen, kabarettistischen Chili con carne vereinigen? Ja, dann ist Leben in der Bude.

Dies mussten auch die Zuschauer in der ausverkauften Dischinger Egauhalle erkennen, als sie auf die Herren Mathias Tretter, Claus von Wagner und Philipp‘ Weber und deren überquellende kabarettistische Spiellaune trafen, die sich im Programm „Die letzte Tour“ entfaltete. Wenn eine ganze Halle beinahe vor Lachen auf dem Boden liegt, dann können die Akteure nicht viel falsch gemacht haben.

Und in der Tat, bei diesem quirligen Trio ging es zu wie im Taubenschlag. Hier flatterten die Pointen nur so, und Federn lassen mussten hier allenfalls die Politiker, die die Kabarettisten beherzt aufs Korn nahmen. So nahm Wagner in Gestalt von Angela Merkel seine beiden Kollegen als Bankmanager in Sippenhaft und versuchte sie einer Psychotherapie zu unterziehen. Gemeinnutz geht vor Eigennutz, das sollten sie lernen. Doch die Schützlinge im Sträflingslook erwiesen sich als unbelehrbar. Wo ich bin ist oben, und wenn ich einmal unten bin, dann ist eben unten oben – das schien deren Devise zu sein. Das Publikum kam jedenfalls auf seine Kosten, wenn die Manager sich auf grotesk-komische Weise als nicht therapierbar erwiesen.

Gekonnt nahm das Trio in seinen sehr gut durch dramatisierten Sketchen bundesrepublikanische Befindlichkeiten auseinander. In der Szene „Easy War International“ versuchte man den hanebüchen Umschreibungen des Wortes „Krieg“ auf die Schliche zu kommen. Wie wäre es mit „stabilisierender Einsatz“? Die drei Kabarettisten entwickelten das Gedankenspiel „friedensschaffende Maßnahme“ bis in seine grotesken, aber gar nicht mehr zukunftsfernen Auswirkungen hinein. Was, wenn der Krieg endlich vollständig privatisiert ist, staatliche Armeen überflüssig geworden sind und nur bezahlte Söldner als ganz normale Angestellte in den Krisengebieten aktiv werden?

Das vor Energie überschäumende Trio legte den Finger in die Wunden der Zeit. Dabei bewiesen sich die Akteure als äußerst vielseitig. Vom politischen Kabarett bis hin zur Comedy reichte der Spielraum des „Ersten Deutschen Zwangsensembles“. Bemerkenswert auch der Verwandlungsreichtum des Trios infernale. Die Akteure verfügten über ein ganzes Arsenal von Figuren, in die sie kunstgerecht schlüpfen konnten. Dabei bewegte man sich auf einem Niveau, das keine Vergleiche zu den großen Namen des Kabaretts zu scheuen braucht. Aber „Die letzte Tour“ kann doch unmöglich schon die letzte Tour gewesen sein? Was so gut funktioniert, verdiente eigentlich eine Fortsetzung.